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ZEW zu Erbschaftsteuer und Bundesverfassungsgerichtskritik

Date

01 Jul 2016

Sections

Justice & Home Affairs

Geplante Neuregelung der Erbschaftsteuer räumt Kritik des
Bundesverfassungsgerichts weitgehend aus

Am 30. Juni 2016 endete die Frist, die das Bundesverfassungsgericht dem
Gesetzgeber gesetzt hatte, um eine neue gesetzliche Grundlage für die
Erbschaftsteuer zu schaffen. Ein Kompromiss schien nach vielen
Zwischenschritten gefunden. Doch jetzt ist auch dieser wieder gefährdet,
denn er könnte im Bundesrat scheitern. Doch auch wenn dieser zustimmt,
bleibt die Frage, ob der jetzt vorliegende Entwurf denn vor dem
Bundesverfassungsgericht bestehen könnte. In einer Analyse ist das Zentrum
für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim dieser Frage
nachgegangen. Es hat die vielfältigen Vorschläge seit dem Urteil anhand
einheitlicher Kriterien genauer untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass
der aktuell vorliegende Vorschlag der Koalitionspartner in vielerlei
Hinsicht eine Entlastung für die Unternehmen gegenüber früheren Entwürfen
bedeutet. Nachteilig ist er allerdings für sehr große Betriebsvermögen. Die
vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Kritikpunkte sehen die
Forscher zum großen Teil ausgeräumt.

Kritik geübt hatte das Gericht im Wesentlichen in drei Punkten: an dem
umfassenden Verschonungsabschlag für Betriebsvermögen (Regelfall: 85
Prozent; optional: 100 Prozent), unabhängig von der Unternehmensgröße und
individueller Bedürfnisfeststellung; an der zu hohen Anzahl der Mitarbeiter
für die Anwendung der Lohnsummenregel sowie an der unverhältnismäßig hohen
Grenze von bis zu 50 Prozent für Verwaltungsvermögen. Auf Grundlage des
jetzt vorliegenden Koalitionskompromisses kommt die ZEW-Analyse zu dem
Schluss, dass der Gesetzgeber mit seinen Reformüberlegungen auf die Kritik
des Bundesverfassungsgerichts eingegangen ist und zumindest hinsichtlich
zwei der drei zentralen Kritikpunkte einen verfassungskonformen
Regelungsentwurf ausgearbeitet haben dürfte.

Der Anwendungsbereich für die Lohnsummenregel wurde von ursprünglich 20
Mitarbeitern auf fünf reduziert. Betriebe über dieser Grenze müssten
folglich in Zukunft nachweisen, dass die Lohnsumme im Betrieb weitgehend
gleich geblieben ist, um eine entsprechende Verschonung bei der
Erbschaftsteuer zu erhalten. Die Grenze für den Verwaltungsvermögensanteil
würde nach den derzeitigen Vorstellungen von 50 Prozent auf zehn Prozent
reduziert, sodass die Verschonungswürdigkeit von Betriebsvermögen dadurch
deutlich strenger geregelt ist. Positiv zu bewerten ist an der jetzt
vorliegenden Lösung die Beibehaltung des Konzepts zur Bestimmung des
Verwaltungsvermögens. Die in früheren Vorschlägen geplante Unterscheidung
nach dem Hauptzweck hätte ansonsten zu erheblichen Abgrenzungsproblemen und
administrativem Mehraufwand geführt.

Intensiver haben sich die ZEW-Forscher mit der Entwicklung der
Verschonungsregelungen für große Betriebsvermögen in den verschiedenen
Entwürfen beschäftigt. Die nun beabsichtigte Änderung des
Kapitalisierungsfaktors aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase führt zu
einer impliziten Erhöhung der im derzeitigen Entwurf vorgesehenen
Freigrenze von 26 Millionen Euro. Dadurch können auch Unternehmen mit einem
derzeitigen Unternehmenswert von rund 37,14 Millionen Euro in den Genuss
einer Vollverschonung bei der Erbschaftsteuer kommen. Hinzu kommt speziell
für Familienunternehmen ein Steuerabschlag von bis zu 30 Prozent, durch den
sich die Freigrenze effektiv noch weiter erhöht.

Im Vergleich zu früheren Entwürfen, die für sehr große Betriebsvermögen
einen pauschalen Verschonungsabschlag von 40 Prozent bzw. 35 Prozent
vorsahen, fehlt es im aktuellen Gesetzentwurf allerdings an einer ähnlichen
Regelung. Erben von Unternehmen mit einem derzeitigen Unternehmenswert von
128,57 Millionen Euro (Familienunternehmen: 183,7 Millionen Euro) können
nur noch die erweiterten Stundungsregelungen oder die Möglichkeit des
(Teil-)Erlasses in Anspruch nehmen.

Inwieweit das nun gewählte Verfahren zur Besteuerung großer
Betriebsvermögen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht,
lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. Im Urteil wurde dem
Gesetzgeber jedoch ein großer Spielraum für die Abgrenzung großer
Betriebsvermögen zugesprochen, indem zum Beispiel auf die Einteilung der
Größenklassen bei der Europäischen Kommission verwiesen wurde.

Download der Analyse zur geplanten Neuregelung der Erbschaftssteuer:
http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/gutachten/Analyse_ErbSt_2016.pdf

Für Rückfragen zum Inhalt:
Prof. Dr. Christoph Spengel, Telefon 0621/181-1704, E-Mail spengel@uni-
mannheim.de
Rainer Bräutigam, Telefon 0621/1235-163, E-Mail rainer.braeutigam@zew.de
Maria Theresia Evers, Telefon 0621/1235-172, E-Mail maria.evers@zew.de