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Weidemilch und GVO-freie Fütterung – Was kommt auf die Milcherzeuger zu? (DLG)

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Agriculture & Food

Der Druck auf Milcherzeuger durch Molkereien und Lebensmitteleinzelhandel steigt. Beide fordern, nur Futtermittel an Milchkühe zu verfüttern, die frei von Gentechnik sind. Experten diskutierten auf der DLG-Wintertagung in Hannover über GVO-freie Fütterung und Futtermittelproduktion und beleuchteten Alternativen.

(DLG). Molkereien fordern zunehmend von den Milcherzeugern, auf Futter zu verzichten, das frei von Gentechnik ist.. „Ohne Gentechnik“-Handelsmarken werden zum Standard im Lebensmitteleinzelhandel. Was kommt auf die Milcherzeuger zu, und wie können sie reagieren? Die öffentliche Veranstaltung des DLG-Ausschusses für Milchproduktion und Rinderhaltung sowie des Arbeitskreises für Futter und Fütterung spannte einen weiten Bogen von der GVO-freien Fütterung bis zur Weidemilch, um dies zu beantworten.

Viele Milchviehhalter fragen sich derzeit, ob eine GVO-freie Fütterung bei ihren Kühen möglich ist, oft auch angestoßen bzw. gefordert von ihrer Molkerei. Auf der anderen Seite gibt es viele Landwirte, die schon seit Jahren komplett „GVO-frei“ füttern, wobei sich GVO-Freiheit vor allem auf das Sojaextraktionsschrot (SES) fokussiert.

Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge von der Fachhochschule Kiel bejaht mit Blick auf die Eiweißversorgung klar die Möglichkeit einer SES-freien Fütterung von Milchkühen. In Milchviehbetrieben werden pro Kuh und Tag zwischen 2 kg und mehr als 5 kg Eiweißkonzentratfutter für eine bedarfsgerechte Eiweißversorgung benötigt. Der Beitrag von Grassilagen, Weidegras, Rotklee, Luzerne sowie von einheimischen Körnerleguminosen für eine flächendeckend bedarfsgerechte Eiweißversorgung ist aber begrenzt. Alternative Eiweißfuttermittel wie Biertreber, Getreideschlempen oder Futtermittel aus der Bioethanolproduktion stehen nicht flächendeckend zur Verfügung. Als heimische Alternative bleibt ausschließlich der Raps in Form von Rapsextraktionsschrot (RES) oder Rapsexpeller übrig.

Durch die heutigen nahezu erucasäurefreien und glukosinolatarmen Rapssorten eignet sich RES für einen verstärkten Einsatz in der Fütterung, da die Futteraufnahme durch die Milchkühe nicht beeinträchtigt wird. Langjährige, deutschlandweite Versuche belegen die hohe und stabile Qualität seines Eiweißes. Das macht RES zu einem sehr wertvollen Futtermittel und damit zu einer echten Alternative in der Rationszusammenstellung.

Bei Fütterungsversuchen in drei Versuchsanstalten in Nordrhein-Westfalen (Haus Riswick), Sachsen-Anhalt (Iden) und Schleswig-Holstein (Futterkamp) wurde im Jahr 2011 untersucht, ob ein kompletter Ersatz von SES durch RES bei der Fütterung von hochleistenden Kühen möglich ist. Die Versuchsergebnisse zeigen keine Einbußen bei den RES-gefütterten Kühen in der Milchleistung, des Weiteren ist der Milchharnstoffgehalt bei RES-Fütterung niedriger. Das Fazit der drei Versuchsansteller lautet, dass die Kombination von SES und RES keine Vorteile gegenüber der alleinigen Versorgung mit RES hat und dass eine Proteinergänzung auf Basis von RES unabhängig von der Grundfutterration möglich ist.

Anstatt der Frage nach einer GVO-freien Fütterung von Milchkühen nachzugehen, solle man sich, so Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge, eher fragen, ob es genug GVO-freie Futterkomponenten gibt? Für die Haltung von Rindern, Schweinen und Geflügel werden jährlich in Deutschland rund 82 Mio. t Getreideeinheiten benötigt, und ein wesentlicher Anteil davon ist Eiweiß. 2015 wurde dank der heimischen Biodieselproduktion auf Rapsölbasis erstmals mehr RES als SES verfüttert, jedoch ist die Anbaufläche von Raps weitgehend ausgeschöpft. Aktuell beträgt die sogenannte Eiweißlücke in Deutschland rund 65 %. Einheimische Proteinquellen können nur einen Bruchteil des Proteinbedarfs decken. Um die „Eiweißlücke“ zu schließen, sind weiterhin Sojaeinfuhren aus Übersee notwendig.

Dr. Hermann Josef Baaken vom Deutschen Verband Tiernahrung (DVT) fühlt sich in der heutigen Diskussion um GVO-Freiheit angesichts von Produkten wie Weidemilch, Heumilch etc. teilweise in eine Zeit „anno dazumal“ zurückversetzt, bei der neueste Erkenntnisse über Haltung und Fütterung außer Acht gelassen werden.

Heutzutage hat man es in der Milchwirtschaft mit einem sehr konzentrierten Markt zu tun, bei dem den Milcherzeugern und Milchverarbeitern nur wenige Einkäufer des Lebensmitteleinzelhandels gegenüberstehen. Haben früher die Produzenten neue Produkte entwickelt und sie dem Markt angeboten, entscheidet heute der Lebensmitteleinzelhandel über Produkte und formuliert Anforderungen, die der Landwirt in der Praxis möglichst schnell umzusetzen hat.

Der deutsche Selbstversorgungsgrad für Eiweißfuttermittel beträgt 35 %. Sojaschrot und Rapsschrot machen als wichtigste Eiweißfuttermittel rund 60 % des Rohproteinanteils aus. Der Anteil ausländischer Futtermittel in Deutschland beträgt zwar nur rund 12 %, darunter sind aber rund drei Viertel Soja. Dies ist im Zusammenhang mit der Tatsache zu sehen, dass auf 82 % der weltweiten Sojaanbaufläche gentechnisch veränderte Pflanzen stehen. Ein Problem für die deutschen Futtermittelhersteller stellen kleinste Vermischungen mit GVO-Soja dar. Bei einer jährlichen Produktionsmenge von 23 Mio. t Mischfutter in Deutschland könnte ein erheblicher Anteil des Futtermittels potenziell verunreinigt werden. Die Entscheidung für eine gentechnikfreie Fütterung macht in vielen Fällen eine strikte und kostenintensive Trennung der Produktlinien in der Futterherstellung erforderlich, um sicher eine Verunreinigung bzw. die Überschreitung der Grenze von 0,1 % oder bei technisch unvermeidbaren Gründen von 0,9 % zu vermeiden.

Bei der Frage hinsichtlich der GVO-Freiheit von Futtermitteln ist auch die Nachhaltigkeit ein Thema. Durch den Einsatz von gentechnisch veränderten Sorten hat sich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verringert. Infolge höherer Erträge und Qualitäten wird außerdem weniger Fläche benötigt. Gleichzeitig hat sich in einigen Regionen die Anbaustruktur stark verändert und zu wenigen Kulturen bis hin zu Monokulturen geführt. Eine Aussage zur Nachhaltigkeit von GVO-Pflanzen ist daher pauschal nicht möglich.

Für mehr Transparenz beim Lebensmittelkauf hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) den Verband „Lebensmittel ohne Gentechnik e.V., (VLOG)“ gegründet, der das „Ohne Gentechnik“-Siegel vergibt. Die Vergabe des Siegels erfordert von den Landwirten und Futtermittelunternehmen eine umfangreiche Dokumentation. Der DVT als größter Interessenvertreter der deutschen Futtermittelwirtschaft unterstützt das einheitliche Siegel, damit die beteiligten Parteien nicht nach unterschiedlichen Kriterien produzieren müssen. Der europäische Mischfutterverband hat darüber hinaus mit Unterstützung nationaler Mitgliedsverbände beschlossen, Leitlinien für einen nachhaltigen Sojaanbau zu entwickeln, um in den Anbauländern integrierte Anbaumethoden nach hiesigen Standards zu implementieren und die Lieferung großer, einheitlicher Partien sicherzustellen. Mittlerweile sind 15 Labels anerkannt.

Wie er Weidemilch produziert, stellte anschließend Amos Venema aus Jemgum (Ostfriesland) vor. Der Milchviehhalter bewirtschaftet im Rheiderland an der niederländischen Grenze einen 113-ha-Betrieb und erzeugt mit 170 Kühen und 2,3 AK jährlich etwa 1,4 Mio. kg Milch. Die Milchkühe haben mindestens 190 Tage Weidegang pro Jahr.

Der stark wachsende Einfluss der Politik stellt durch die Einführung neuer Schutzgebietsverordnungen und insbesondere durch die Düngeverordnung die Weidemilchproduktion vor immer größere Probleme. Nach einer Studie der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen haben heute noch 56 % der laktierenden Kühe in dem Bundesland Weidegang. Je größer die Betriebe werden, desto mehr Milcherzeuger stellen komplett auf Stallhaltung um. Neben arbeitswirtschaftlichen Faktoren ist das Fehlen von ausreichend arrondierten Flächen der Grund dafür.

Die Systemanalyse Milch in Niedersachsen untersucht fünf Jahre lang die Bedeutung und Unterschiede von verschiedenen Haltungssystemen der Milchkühe. Erste Ergebnisse nach drei Jahren lassen beim Tierwohl einen leichten Vorteil zugunsten der Weidehaltung erkennen. Bei der Versorgung der Tiere und bei der Ökobilanz gibt es leichte Vorteile bei der Stallhaltung.

Die Betriebe in Norddeutschland haben derzeit keine deutlichen ökonomischen Vorteile, wenn sie Weidemilch erzeugen. Die beiden großen deutschen Molkereien in Nordniedersachsen zahlen einen Weidemilchzuschlag von 1 ct/l Milch, aber nur für GVO-freie Weidemilch. Bei allen Bezahlsystemen fehlt ein standardisiertes Verfahren, das Weidemilch definiert. Gegenüber dem Handel ist dadurch nicht klar darzustellen, wofür diese Milch steht.

Die anschließende Diskussion mit den über 200 Teilnehmern wurde von Dieter Mirbach vom DLG-Fachzentrum Landwirtschaft moderiert. Dabei wurden auch ergänzende Themen beleuchtet, wie etwa der zunehmende Parasitendruck auf dem Hof von Amos Venema. Der Milchviehhalter führt dies auf die letzten milden Winter zurück und unterteilt heute die Herde in verschiedene Risikogruppen, die er unterschiedlich managt. Eine saisonale Vermarktung wie sie etwa bei Spargel oder bei Süßwaren (Mon Cherie) erfolgreich stattfindet, erscheint vielversprechend.

Bei der Frage nach den Mehrkosten für GVO-freies Futter muss die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet werden. Die Differenzierung in der Produktion führt zu Mehrkosten bei den Futtermittelherstellern, die letztlich auch die Milcherzeuger mit tragen müssen, so Dr. Baaken vom DVT. Im Milchviehbereich kann man derzeit mit Rapsextraktionsschrot arbeiten, man muss aber für den Fall vorbereitet sein, dass in Zukunft nicht ausreichend Rapskomponenten für Milchleistungsfutter zur Verfügung steht. Ziel muss es daher sein, Sojaschrot durch die konsequente Anwendung entsprechender Nachhaltigkeitskriterien wieder zu einem anerkannten und akzeptierten Produkt zu machen.

Fotos der Redner sind unter nachstehendem Link verfügbar: http://www.dlg.org/aktuell_landwirtschaft.html?detail/2015dlg/1/1/9242

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