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PM Renate Sommer (EVP/CDU) zu Jahresbericht Türkei

Date

09 Nov 2016

Sections

Global Europe

Türkeibericht der Kommision:

Beschreibung einer Machtergreifung

Die Europäische Kommission stellte heute ihren jährlichen Bericht zur Türkei vor. Dieser ist so offen und vernichtend wie nie zuvor. Die Türkei-Berichterstatterin der EVP-Fraktion, Renate Sommer (CDU), begrüßt den Bericht und nimmt dazu wie folgt Stellung:

„Dieser Jahresbericht, stellt der Türkei endgültig ein verheerendes Zeugnis aus. Schon im vergangenen Jahr war die EU-Kommission erstaunlich deutlich in der Beschreibung der mehr und mehr unhaltbaren Zustände in der Türkei. Schließlich wurden schon lange vor dem diesjährigen Putschversuch Meinungs- und Pressefreiheit massiv eingeschränkt, und auch die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei wurde seit den Gezi-Protesten immer fraglicher. Jetzt liegt nahezu alles im Argen. De facto herrscht bereits eine Präsidialdiktatur.

Der neue Bericht liest sich dabei wie ein Schauerroman. Die Anti-Terror-Gesetze werden selektiv und willkürlich angewendet. Mehrfach wird hervorgehoben, dass der türkische Staat nicht nur gegen Einzelpersonen vorgeht, sondern ganze Bevölkerungsgruppen kollektiv unter Terrorismusverdacht stellt. Es herrscht absolute Willkür. Die Unschuldsvermutung existiert nicht mehr. Beschuldigte werden ohne Anklage inhaftiert, bis zu dreißig Tage ohne Zugang zu Anwälten. Ein Fünftel der Richter und Staatsanwälte wurden entlassen, unzählige Anwälte inhaftiert oder massiv eingeschüchtert. Die Haftbedingungen sind unmenschlich. Es gibt Misshandlungen und auch Berichte über Folter. Die Opposition ist weitgehend ausgeschaltet, ebenso die kritischen Medien. Es gibt Gesinnungsschnüffelei, Enteignungen und Sippenhaft.

Der Kommissionsbericht beschreibt die Machtergreifung eines Diktators.

Natürlich hat das mit der EU schon lange nichts mehr zu tun, und jeder weiß, dass von einem EU-Beitritt längst nicht mehr die Rede sein kann. Konsequent wäre also die offizielle Einstellung der Beitrittsverhandlungen. Doch die EU-Mitgliedstaaten fürchten sich ganz offensichtlich vor diesem Schritt. Allenfalls hört man etwas von einem Einfrieren der Verhandlungen. Schließlich droht eine neue Flüchtlingswelle. Unsere Regierungen scheinen auf die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei zu warten. Dass dies kommt, ist sehr wahrscheinlich. Dann hätte Erdogan selbst die Beitrittsperspektive ad acta gelegt und könnte dies nicht der EU anlasten. 

Wie immer man es auch nennt: Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind längst tot. Der Begriff ist nur noch ein Synonym dafür, dass man versuchen muss, überhaupt noch miteinander zu sprechen. Zu tief sind die Verflechtungen, die uns dazu zwingen. Und wir sind es auch der Opposition und den vielen unschuldig Verfolgten in der Türkei schuldig, die ohne uns restlos verloren wären.“

 

Für weitere Informationen:

Dr. Renate Sommer MdEP, Tel. +32 2 284 7383