ZEW: Die essenzielle Rolle des CO2-Preises für eine effektive Klimapolitik
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Die Staatengemeinschaft hat in Paris einstimmig beschlossen, die
Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu beschränken. Der Enthusiasmus
von Paris hat sich auf die Konferenz von Marrakesch übertragen, an der
einige Staaten konkrete Verpflichtungen zur Reduktion der Emission von
Treibhausgasen vorgelegt haben. Gleichzeitig hat die amerikanische
Präsidentenwahl für Verunsicherung über die zukünftige Rolle der USA in der
Klimapolitik gesorgt. In diesem Gutachten wird eine mittelfristige
Perspektive aufgezeigt, wie weitere Klimaverhandlungen zu einem wirksamen
Klimaschutz führen können.
Kyoto ist mit dem Versuch gescheitert, eine ambitionierte gemeinsame
Mengenverpflichtung für die weltweiten CO2-Emissionen durchzusetzen. Paris
hat daraus den Schluss gezogen, den Versuch einer gemeinsamen Verpflichtung
aufzugeben und stattdessen auf freiwillige Selbstverpflichtungen der
einzelnen Staaten zu setzen. Der Beirat hält es für sehr unwahrscheinlich,
dass sich der Klimawandel so wirksam begrenzen lässt. Ohne eine reziproke,
gemeinsame Verpflichtung wird sich das Klimadilemma nicht lösen lassen.
Die gemeinsame Zielsetzung von Paris sollte in eine gemeinsame
Verpflichtung der Staatengemeinschaft zur wirksamen Verringerung der CO2-
Emissionen überführt werden. Man darf nicht bei unkoordinierten,
individuellen Selbstverpflichtungen stehen bleiben. Die Bepreisung von CO2-
Emissionen ist dafür essenziell. Der Beirat spricht sich dafür aus, als
Ziel internationaler Klimapolitik eine gemeinsame Verpflichtung zur
Einhaltung eines Mindestpreises für CO2-Emissionen anzustreben.
Eine globale Verpflichtung, einen Mindestpreis für CO2-Emissionen
einzuführen, wäre ein neuer Weg, der die internationalen Klimaverhandlungen
aus der Sackgasse führen könnte. Eine globale Preisverpflichtung ist
vereinbar mit einer Reihe von nationalen und lokalen Instrumenten wie zum
Beispiel Emissionshandelssystemen und Besteuerungsverfahren, aber auch mit
vielen anderen nationalen, regionalen und lokalen Präferenzen und
Maßnahmen, denen sie zu einer größeren Effektivität verhelfen kann. Dies
macht den globalen CO2-Preis akzeptabel für Staaten, die sich in ihren
Klimapräferenzen und ihren Vorstellungen über das richtige
Klimaschutzinstrumentarium unterscheiden. Auf internationaler Ebene ist ein
globales Preisziel wahrscheinlich besser geeignet als ein globales
Mengenziel, eine reziproke, gemeinsame Verpflichtung zu erreichen. Dadurch
bekommen stabile internationale Koordination und Kooperation eine Chance.
Ein CO2-Preis ist eine essenzielle, aber nicht die einzige klimapolitisch
sinnvolle Maßnahme. Beispielsweise kann auch die Förderung der Erforschung
klimafreundlicher Technologien einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz
leisten.
Die Politiker müssen das Gemeinschaftsgutproblem offen ansprechen, wenn sie
den Klimawandel effektiv begrenzen wollen. Eine geeignete Plattform könnte
die G20 sein, bei der Deutschland die Präsidentschaft innehat. Wenn es
gelingt, das ambitionierte Klimaziel von Paris in ein Preisziel für CO2-
Emissionen zu übersetzen und es mit effizienter nationaler Klimapolitik
und reziproker internationaler Kooperation zu verbinden, dann hat die
Staatengemeinschaft eine Chance, den Klimawandel einzudämmen. Die
Zusammenführung dieser fundamentalen Prinzipien von Kooperation und
effektiver Klimapolitik wurde bisher nie versucht. Wenn aber gegen das
Kooperations- und Trittbrettfahrerproblem nicht angegangen wird, werden
sowohl die nationale als auch die internationale Klimapolitik scheitern.
Der Beirat empfiehlt daher der Bundeswirtschaftsministerin sich dafür
einzusetzen, dass die Bundesregierung in ihrer Politik für den Klimaschutz
die folgenden Prinzipien berücksichtigt:
1. Das Ziel internationaler Klimapolitik sollte eine gemeinsame
Verpflichtung zur Einhaltung von (Mindest-) Preisen für CO2 sein. Die
Umsetzung des Preisziels (etwa durch Steuern oder Emissionsmärkte) kann den
einzelnen Staaten überlassen bleiben.
2. Das Grundprinzip zur Stabilisierung der gemeinsamen Verpflichtung sollte
Reziprozität sein. Alle Staaten müssen an der gemeinschaftlichen Aufgabe
des Klimaschutzes beteiligt werden. Dazu sollten internationale Belohnungs-
und Bestrafungsmechanismen entwickelt werden, die eine notwendige
Bedingung für stabile internationale Kooperation sind. Die G20
Präsidentschaft der deutschen Bundesregierung könnte ein geeignetes Forum
sein, um solche Ideen voran zu treiben.
3. Die europäische Klimapolitik sollte in diesem globalen Kontext einen
einheitlichen Mindestpreis für CO2 einführen. Konkret sollten ein
international koordinierter Mindestpreis im Emissionshandel und/oder eine
Ausweitung des Emissionshandels auf weitere Sektoren erwogen werden, die
bisher nicht in den Emissionshandel eingebunden sind.
Das Gutachten wurde von einer Arbeitsgruppe des Wissenschaftlichen Beirats
beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erstellt unter
Federführung von Prof. Dr. Axel Ockenfels, Universität zu Köln, unter
Beteiligung von Prof. Achim Wambach Ph.D., Präsident des Zentrums für
Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Prof. Dr. Klaus Schmidt, Ludwig-
Maximilians-Universität München und Prof. Dr. Hans Gersbach, ETH Zürich
(Vorsitzender des Beirats).
Für Rückfragen zum Inhalt:
Prof. Achim Wambach, Ph.D., Telefon 0621/1235-100, E-Mail wambach@zew.de