Bankenstresstest in Europa: Finanzhäuser sind dringend auf Rekapitalisierung angewiesen
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Bankenstresstest in Europa: Finanzhäuser sind EU-weit dringend
auf Rekapitalisierung angewiesen
Europas Bankensektor muss flächendeckend die Eigenkapitalausstattung der
Kreditinstitute verbessern, um im Fall einer neuen Finanzkrise bestehen zu
können. Davon sind nicht nur die Peripherieländer der Eurozone wie Italien
oder Spanien, sondern auch Deutschland und Frankreich betroffen. Würden die
weltweiten Aktienmärkte in den nächsten sechs Monaten um 40 Prozent
einbrechen, wäre bei den europäischen Banken schätzungsweise mit
Fehlbeträgen in Höhe von bis zu 882 Milliarden Euro zu rechnen. Dabei wären
die Kreditinstitute wahrscheinlich auf Subventionen angewiesen.
Zu diesem zentralen Ergebnis kommt ein Stresstest-Szenario des ZEW zusammen
mit der New York University und der Universität Lausanne.
Für das Szenario haben sich die Wissenschaftler an den Daten der
Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) orientiert, die heute die
Ergebnisse ihres eigenen Stresstests veröffentlicht. Dafür hat die EBA eine
Liste mit 53 europäischen Banken vorgelegt, die in den Ländern der
Eurozone rund 70 Prozent des Bankensektors ausmachen. 34 dieser Banken sind
börsennotiert. Der Gesamtwert der Aktiva in dieser Stichprobe beläuft sich
auf rund 27 Billionen Euro. Die Marktkapitalisierung der 34
börsennotierten Kreditinstitute liegt insgesamt bei 693 Milliarden Euro,
die durchschnittliche Eigenkapitalquote bei 4,4 Prozent.
Auf dieser Basis entwarfen die Wissenschaftler ein Vorher-Nachher-Szenario
für den Zeitraum von November 2014 – nach dem damaligen Bankenstresstest
der Europäischen Zentralbank (EZB) und mit Beginn der Europäischen
Bankenunion – bis Juni 2016. Schließlich wurde geschätzt, welche
Kapitallücken bei den Banken im Ländervergleich für den Fall einer
systemischen Krise unter bestimmten Bedingungen klaffen.
"Die untersuchten Banken haben im Durchschnitt etwa ein Drittel ihres
Marktwerts seit November 2014 eingebüßt", sagt Prof. Dr. Sascha Steffen,
Leiter des ZEW-Forschungsbereichs "Internationale Finanzmärkte und
Finanzmanagement" und Mitautor der Studie. Den relativ größten Rückgang mit
Blick auf die Marktkapitalisierung haben dabei Deutschland (49,4 Prozent),
Italien (47 Prozent) und Spanien (41,7 Prozent) zu verkraften.
Die Fehlbeträge sind unter Krisenbedingungen um 35 Prozent gestiegen – von
655 Milliarden Euro auf 882 Milliarden Euro im betrachteten Zeitraum. Vor
allem die spanischen Banken weisen in ihren Bilanzen eine Zunahme um 110
Prozent von nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbeträgen auf. Darauf
folgen Irland (89,2 Prozent), das Vereinigte Königreich (73,9 Prozent) und
Schweden (71,2 Prozent). Die Fehlbeträge italienischer Banken legten um
29,2 Prozent zu, die deutscher Banken um acht Prozent.
"Die Ergebnisse legen nahe, dass in fast allen Ländern des europäischen
Bankensektors umfassende Maßnahmen zur Rekapitalisierung getroffen werden
müssen, auch in Deutschland", erklärt Sascha Steffen. Zudem zeige sich,
dass das Problem fehlender Eigenkapitalausstattung seit dem EZB-Stresstest
von 2014 noch nicht behoben wurde. "Die Banken, die bereits vor zwei Jahren
enorme Fehlbeträge ausgewiesen haben, schleppen diese Defizite nach wie
vor mit sich."
Als Lösungsansatz schlagen Steffen und seine Co-Autoren vor, das nötige
Kapital für die Banken durch die gemeinsame Ausgabe von Aktien oder durch
Abschläge für nachrangige Darlehensgeber bereitzustellen. Allerdings
müssten Finanzhilfen aus öffentlicher Hand hinzukommen. "Die Bankensektoren
in Deutschland, Frankreich und Italien sind höchstwahrscheinlich auf
Subventionen angewiesen, um ihre Defizite auszugleichen", sagt Sascha
Steffen.
Auf Anfrage senden wir Ihnen die Studie gerne zu.
Für Rückfragen zum Inhalt:
Prof. Dr. Sascha Steffen, Telefon 0621/1235-140, E-Mail steffen@zew.de