Arm und reich in Deutschland – Familienpolitik könnte mehr tun
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"Arm" und "reich" in Deutschland – Familienpolitik könnte noch mehr tun
Trotz zahlreicher staatlicher Umverteilungsmaßnahmen hängen Einkommen und
Armutsrisiko in Deutschland in erheblichem Maße vom Haushaltstyp und dem
Vorhandensein von Kindern ab. Wie eine ZEW-Studie im Auftrag der
Familienpolitischen Kommission der Heinrich-Böll-Stiftung zeigt, gelingt es
Haushalten mit Kindern im Schnitt nicht, durch Erwerbsarbeit, durch die
Unterstützung des Staates und sonstige Einkünfte ein Einkommen zu erzielen,
das den durch die Kinder entstehenden zusätzlichen Bedarf vollumfänglich
decken würde. Besonders gilt dies für Haushalte von Alleinerziehenden: So
lag beispielsweise das bedarfsgewichtete verfügbare Einkommen in Haushalten
von nicht erwerbstätigen Alleinerziehenden pro Kopf bei gerade einmal 45
Prozent des Einkommens von Paaren ohne Kinder.
Wenig bekannt war bisher über die Verteilungswirkung der ehe- und
familienbezogenen Leistungen. In der Studie untersucht wurden steuerliche
Entlastungen wie etwa das Ehegattensplitting, die Subventionierung der
Kinderbetreuung und monetäre Transfers wie das Kindergeld, das Elterngeld,
der Kinderzuschlag sowie anderes mehr. Ohne diese Steuer- und
Transferleistungen läge das Armutsrisiko in Deutschland bei 18,3 Prozent
statt 15,2 Prozent und bei der Kinderarmut ergäbe sich sogar ein Wert von
33,8 Prozent statt 18,3 Prozent. Die Familienpolitik leistet also durchaus
einen Beitrag zur Verringerung des Armutsrisikos.
"Durch eine stärkere Konzentration auf bedürftige Familien könnte der
Beitrag aber noch stärker ausfallen. Derzeit streuen viele Leistungen sehr
breit und wohlhabende Familien werden tendenziell sogar stärker gefördert",
erklärt Dr. Holger Stichnoth, der Verfasser der Studie am ZEW. Während 13
Prozent der Ausgaben für die hier untersuchten Leistungen an die reichsten
zehn Prozent der Haushalte gehen, liegt der Anteil der Ausgaben für die
ärmsten zehn Prozent der Haushalte bei lediglich sieben Prozent.
Verantwortlich für die stärkere Förderung reicherer Familien sind in erster
Linie die steuerlichen Leistungen (Ehegattensplitting, Kinderfreibeträge),
deren Wert mit dem zu versteuernden Einkommen wächst.
Steuerliche Leistungen sind daher generell wenig wirksam zur Verringerung
des Armutsrisikos. Vor diesem Hintergrund ist etwa eine Umwandlung des
Entlastungsbetrags für Alleinerziehende in einen (höheren)
Steuerabzugsbetrag skeptisch zu betrachten. Wie die Studie zeigt, könnte
für Ausgaben gleicher Höhe auch eine auf Alleinerziehende beschränkte
Kindergelderhöhung um 100 Euro finanziert werden. Dadurch ließe sich das
Armutsrisiko bei Kindern von Alleinerziehenden deutlich wirksamer
reduzieren (um vier Prozentpunkte bei einem Ausgangswert von 41 Prozent).
Eine besondere Förderung erfahren in Deutschland Paare, in denen nur ein
Partner erwerbstätig ist. Für sie liegt der Wert der hier untersuchten ehe-
und familienbezogenen Leistungen im Schnitt bei 100 Euro (Paare ohne
Kinder) beziehungsweise 608 Euro pro Monat (Paare mit Kindern). Das ist
mehr, als Paare erhalten, die erwerbslos sind. Arbeiten beide Partner, dann
sinkt der durchschnittliche Betrag auf 70 beziehungsweise 508 Euro pro
Monat. Verantwortlich hierfür sind der Transferentzug durch das höhere
Einkommen und der Splittingvorteil, der umso größer ausfällt, je stärker
sich die beiden Partner in ihren zu versteuernden Einkünften unterscheiden.
Die vorliegende ZEW-Studie basiert auf der SOEP-Welle von 2013. Da die
meisten Einkünfte im SOEP retrospektiv für das Vorjahr erhoben werden,
beziehen sich die Auswertungen jedoch auf das Jahr 2012.
Download der Studie zu den "Verteilungswirkungen ehe- und familienbezogener
Leistungen und Maßnahmen":
http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/gutachten/familienbezogene_leistungen.pdf
Für Rückfragen zum Inhalt:
Dr. Holger Stichnoth, Telefon 0621/1235-362, E-Mail stichnoth@zew.de