ZEW: Die Glaubwürdigkeit der Schuldenbremse steht auf dem Spiel
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Antrag für eine staatliche Investitionsregel –
Die Glaubwürdigkeit der Schuldenbremse steht auf dem Spiel
Die Schuldenbremse im Grundgesetz zwingt die Bundesländer ab dem Jahr 2020
zum ausgeglichenen Haushalt und legt das Defizit des Bundes bereits jetzt
auf eine Obergrenze von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts fest. Knappe
drei Jahre vor der vollen Wirksamkeit hat die Bundestagsfraktion Bündnis
90/Die Grünen beantragt, der Schuldenbremse eine Investitionsregel zur
Seite zu stellen. Der Bund soll dadurch gezwungen werden, zumindest den
Wertverlust des öffentlichen Vermögens durch Investitionen auszugleichen.
Prof. Dr. Friedrich Heinemann vom ZEW hat heute zu diesem Antrag im
Bundestag als geladener Experte in der öffentlichen Sitzung des
Haushaltsausschusses Stellung bezogen und dabei für mehr Transparenz durch
unabhängige Gremien plädiert statt neuer Vorschriften.
"Das Anliegen des Antrags ist berechtigt", beurteilt der Leiter des ZEW-
Forschungsbereichs "Unternehmensbesteuerung und Öffentliche
Finanzwirtschaft" die Initiative der Grünen. Es reiche nicht aus, nur auf
Defizite und Schulden zu schauen, um die Nachhaltigkeit der
Haushaltspolitik zu bewerten. Dennoch hält Heinemann die vorgeschlagene
Investitionsregel weder für konzeptionell überzeugend noch für
erfolgversprechend. So ist die Definition einer "Investition" heute
umstrittener als je zuvor.
Investitionen seien mehr als neue Gebäude und Straßen, weil auch Ausgaben
für Bildung, Forschung oder Sicherheit dem Wachstum dienen, argumentiert
Friedrich Heinemann. Damit werde der Investitionsbegriff aber in seiner
Anwendbarkeit beliebig. "Es besteht die große Gefahr, dass die
Schuldenbremse mit ihrem klaren Gebot zum Budgetausgleich durch eine
Investitionsregel mit diffuser Begrifflichkeit ihre Glaubwürdigkeit
verliert". Auch sei das Ziel, den öffentlichen Kapitalstock konstant zu
halten, nicht immer sinnvoll. So sei es etwa in Regionen mit schrumpfender
Bevölkerung geboten, die öffentliche Infrastruktur zurückzubauen.
Außerdem käme eine solche neue Regel jetzt zu einem denkbar ungünstigen
Zeitpunkt. Die Schuldenbremse befinde sich mit ihrer bis zur vollen
Wirksamkeit für die Länder im Jahr 2020 laufenden Übergangsfrist in einer
wichtigen Phase des Reputationsaufbaus. "In dieser Einführungsphase sollte
niemand – selbst mit noch so guten Argumenten – an der Schuldenbremse
basteln, denn das wird die Reputation der neuen Regeln schädigen", so
Heinemann in seiner Stellungnahme.
Der ZEW-Experte empfiehlt eine andere Strategie, um die Nachhaltigkeit der
Haushaltspolitik in Deutschland zu stärken: "Unabhängige Expertengremien
wie der Sachverständigenrat oder der Unabhängige Beirat beim Fiskalrat
sollten gestärkt und einen Auftrag zur umfassenden Nachhaltigkeitsprüfung
der öffentlichen Haushalte erhalten". Der Vorteil dabei sei, dass die
Budgetrechte der Parlamente damit in keiner Weise eingeschränkt würden,
dass aber die Öffentlichkeit besser als bisher über die Qualität der
Budgetpolitik unterrichtet würde. "Keine immer neuen komplexen und wenig
glaubwürdigen Regeln, sondern eine größere Transparenz durch unabhängige
Budgetwächter – das ist die beste Strategie", lautet Heinemanns Fazit.
Die vollständige Stellungnahme findet sich zum Download unter:
http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/stellungnahmen/HEINEMANN_Stellungnahme_24APRIL2017.pdf
Für Rückfragen zum Inhalt:
Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Telefon 0621/1235-149,
E-Mail heinemann@zew.de