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Ägyptenreise von Bundeskanzlerin Merkel: Stabilität ist eine Illusion (HBS)

Berlin, 01.03.2017 – Im Vorfeld des Ägypten-Besuchs von Bundeskanzlerin Merkel hat die Heinrich-Böll-Stiftung heute vier Analysen zur Sicherheits-, Antiterror- und Wirtschaftspolitik sowie der Rolle des Militärs in Ägypten vorgestellt.
 
„Die von der ägyptischen Regierung behauptete Stabilität durch vermeintliche Erfolge in der Sicherheits-, Antiterror- und Wirtschaftspolitik ist vor allem Rhetorik und hat wenig Substanz“, sagte Stiftungsvorstand Barbara Unmüßig heute in Berlin. „Wie die vorgestellten Analysen verdeutlichen, kommt die Sicherheitspolitik und Terrorabwehr der ägyptischen Regierung einem eklatanten Versagen nahe. Ihr Krieg gegen den Terror richtet sich nicht nur gegen djihadistische Gruppen, sondern auch gegen politische Gegner und die Bevölkerung im Sinai. Zu der massiven politischen Repression gehören katastrophale Haftbedingungen und systematische Folter in den ägyptischen Gefängnissen. Das treibt die Radikalisierungsspirale kräftig voran. Mittlerweile sollen in ägyptischen Gefängnissen bis zu 60.000 politische Gefangene einsitzen. Die Schließung unserer renommierten Partnerorganisation Nadeem Center Anfang Februar fügt sich in diese Strategie ein und ist zugleich ein menschenrechts- und demokratiepolitischer Offenbarungseid. Wir fordern von der ägyptischen Regierung, umgehend die Bedingungen für eine Wiederaufnahme der Arbeit des Centers ohne weitere Behinderungen zu schaffen.“, so Unmüßig heute.
 
Der für Ägypten zuständige Büroleiter der Stiftung in Tunis, Joachim Paul, sagte: „Auch wirtschaftspolitisch hat das Regime keinen Plan – gewaltige Hilfszahlungen aus den Golfstaaten wurden verschleudert, nun soll es ein -auch von der Bundesregierung unterstützter- neuer IWF-Kredit in Höhe von 12 Milliarden US-Dollar richten. Das Militär drängt selbst in immer neue Wirtschaftsbereiche und schreckt damit in- wie ausländische Investoren ab.“, so Paul.
Barbara Unmüßig kritisierte das Ansinnen der Bundesregierung, während des Kanzlerinnenbesuchs über eine neue ‚Partnerschaft‘ zu Migration und Flucht zu verhandeln. „Angesichts der realen Migrationszahlen von wenigen Tausend aus Ägypten und den faktischen Zuständen im Land erscheint es mindestens realitätsfremd, mit dem Al-Sisi Regime über eine Partnerschaft zu einem Mittelmeer- ‚Abwehrsystem‘ gegen Migration zu verhandeln. Es ist kaum vorstellbar, dass das ägyptische Regime auch nur annähernd in der Lage ist, internationalen Standards entsprechende Flüchtlingslager aufzubauen und zu betreiben.“, sagte Unmüßig. „Hier scheint vor allem deutsche Wahlkampflogik die Agenda des Besuchsprogramm gestaltet zu haben.“, so Unmüßig.
 
‚Partnerschaft‘ mit Ägypten und anderen nordafrikanischen Ländern in dieser Frage müsse stattdessen bedeuten, mit diesen Ländern Migration zum gemeinsamen Vorteil zu gestalten und den Schutz der Flüchtlinge und Migranten in den Vordergrund zu stellen. Hier, wie auch bei der ‚Stabilisierung‘ Ägyptens seien ehrliche Analysen und langfristige Strategien gefordert, nicht kurzfristige ‚Lösungen‘ oder an Wahlterminen orientierte ‚deals‘.
„Das nervöse Schielen auf rechte Populisten in der Heimat ist kein guter Ratgeber für die partnerschaftliche Förderung von Demokratie und Menschenrechten.“, sagte Unmüßig.
Die vier Analysen in englischer Sprache wurden von Expert/innen renommierter think-tanks und zivilgesellschaftlicher Organisationen aus der Region erstellt, allerdings angesichts der zunehmend brutalen Repression in Ägypten aus Sicherheitsgründen mit einer Ausnahme anonymisiert. Die Analysen sowie eine englische und deutsche Kurzzusammenfassung stehen unter boell.de als Download bereit: